Quantentechnologie einfach erklärt: Gerd Leuchs hält Leopoldina-Vortrag

Vor mehr als 200 Mitgliedern und Wissenschaftsinteressierten – unter ihnen der Ministerpräsident des Landes Sachsen-Anhalt und Physiker Dr. Reiner Erich Haseloff – hielt Prof. Gerd Leuchs an der Leopoldina Akademie anlässlich der Urkundenübergabe an die neu gewählten Mitglieder der Klasse I und auch passend zu seiner Amtsübergabe als Obmann der Sektion Physik an Prof. Eberhard Bodenschatz einen Grundlagenvortrag zum Thema Quantenphysik und Quantentechnologien. Der Emeritus Direktor des Max-Planck-Instituts für die Physik des Lichts erklärte, wie die Rechenleistung von Quantencomputern zustande kommt und welches Potenzial sie haben, nicht zuletzt auch für die Pharmazie. Er streifte auch den Vorteil von Quanten-Sensorik und von Quanten-Kommunikation.

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Professor Gerd Leuchs (@Markus Scholz für die Leopoldina)

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Professor Gerd Leuchs (©Markus Scholz for Leopoldina)

Die Quantenwissenschaft beeinflusst zunehmend die Entwicklung neuer Technologien und perspektivisch somit auch unseren Alltag. Zum Beispiel wird die Rechenleistung von Quantencomputern völlig neue Möglichkeiten bieten. In seinem Vortrag erläuterte Leuchs, einer der führenden Wissenschaftler auf dem Gebiet der Quantentechnologie, auf eindrucksvolle Weise die zugrunde liegenden mathematisch-physikalischen Prinzipien sowie die Unterschiede zur Alltags-Mathematik: Während klassische Bits Zahlen darstellen, die alle auf der eindimensionalen Zahlengeraden liegen, spannen Quanten-Bits, die übliche Recheneinheit in der Quanten-Informationswissenschaft, durch Drehung und Überlagerung einen höher-dimensionalen Raum auf und erfordern eine äußerst komplexe mathematische Herangehensweise. „Für den Menschen ist beispielsweise ein 1000-dimensionaler Raum nicht leicht vorstellbar. Wissenschaftler müssen bereit sein, ihre herkömmlichen naturwissenschaftlichen Vorstellungen zu überwinden, um den Fortschritt vorantreiben zu können. Das gilt auch für die Quanten-Wissenschaft“, so Leuchs. Das besondere an Quantenzuständen ist, dass in einem Überlagerungszustand mehrere scheinbar widersprüchliche Zustände enthalten sein können, was Leuchs dem Publikum mithilfe alltäglicher optischer Phänomene zu veranschaulichen versuchte. Diese Zustände sind miteinander verschränkt und streng korreliert. Bei der Messung kommt es zu einer Projektion auf einen der überlagerten Zustände, die anderen gehen unwiderruflich verloren. Eine Eigenschaft, die die Quantentechnologie für abhörsichere Kommunikation ausnutzt.

Im weiteren Verlauf des Vortrags erklärte Gerd Leuchs den Vorteil von Quanten-Computern. Statt Eingabewerte seriell, d.h. einen Wert nach dem anderen zu verarbeiten, können Quantencomputer viele Eingabewerte parallel verarbeiten, was sie sehr leistungsfähig und extrem schnell macht, allerdings nur unter bestimmten Bedingungen. Leuchs: „Zukunftsanwendungen eines Quanten-Computers gibt es beispielsweise in der Pharmazie zur Berechnung komplexer Moleküle. Quanten-Sensorik wird auch im Bereich der Medizintechnik eine Rolle spielen.“

Über Prof. Gerd Leuchs

Geboren am 14.06.1950, Senior-Professor am Department Physik der Universität Erlangen-Nürnberg. Seit 2009 wissenschaftliches Mitglied der Max-Planck-Gesellschaft und bis 2019 Direktor am Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts. Mitglied der Akademie der Wissenschaften Leopoldina, der Deutschen Physikalischen Gesellschaft, der European Physical Society, der Deutschen Gesellschaft für angewandte Optik, der wissenschaftlichen Gesellschaft Optica (früher Optical Society of America), deren Präsident er 2024 ist, des Institute of Physics (London), der Russischen Akademie der Wissenschaften, der Chinesischen Optischen Gesellschaft und der American Association for the Advancement of Science. Mehr als 500 Publikationen in wissenschaftlichen Journalen und Herausgeber von drei Büchern. 2005 erhielt er den Quantum Electronics and Optics Prize der European Physical Society.

In einem aktuellen Leuchtturmprojekt „QuKomIn“ zur Erprobung einer abhörsicheren Quantenkommunikationsinfrastruktur soll eine reale Testinfrastruktur für die Quantenkommunikation in Form eines hybriden Glasfasernetzes mit Satellitenanbindung und Applikationslaboren in den Räumen aufgebaut werden. Das Forschungsvorhaben unter Leitung des Max-Planck-Instituts für die Physik des Lichts in Erlangen wird in enger Abstimmung mit den Nachbarinitiativen in Sachsen und Thüringen und dem BMBF-Projekt »QuNET« durchgeführt. Der Unterschied zu gebräuchlichen Verfahren in der Datenverschlüsselung ist, dass die Sicherheit hier auf einem physikalischen Naturgesetz beruht und nicht auf mathematischen Annahmen. Durch die Quantenschlüsselverteilung können Informationen auf Basis einzelner Quantenzuständen von Photonen sicher übertragen werden.

Über die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina

Als Nationale Akademie der Wissenschaften leistet die Leopoldina unabhängige wissenschaftsbasierte Politikberatung zu gesellschaftlich relevanten Fragen. Dazu erarbeitet die Akademie interdisziplinäre Stellungnahmen auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse. In diesen Veröffentlichungen werden Handlungsoptionen aufgezeigt, zu entscheiden ist Aufgabe der demokratisch legitimierten Politik. Die Expertinnen und Experten, die Stellungnahmen verfassen, arbeiten ehrenamtlich und ergebnisoffen. Die Leopoldina vertritt die deutsche Wissenschaft in internationalen Gremien, unter anderem bei der wissenschaftsbasierten Beratung der jährlichen G7- und G-20-Gipfel. Sie hat rund 1.700 Mitglieder aus mehr als 30 Ländern und vereinigt Expertise aus nahezu allen Forschungsbereichen. Sie wurde 1652 gegründet und erlangte 2008 den Rang der Nationalen Akademie der Wissenschaften Deutschlands ernannt. Die Leopoldina ist als unabhängige Wissenschaftsakademie dem Gemeinwohl verpflichtet.

 

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Quantentechnologie einfach erklärt: Gerd Leuchs hält Leopoldina-Vortrag

Vor mehr als 200 Mitgliedern und Wissenschaftsinteressierten – unter ihnen der Ministerpräsident des Landes Sachsen-Anhalt und Physiker Dr. Reiner Erich Haseloff – hielt Prof. Gerd Leuchs an der Leopoldina Akademie anlässlich der Urkundenübergabe an die neu gewählten Mitglieder der Klasse I und auch passend zu seiner Amtsübergabe als Obmann der Sektion Physik an Prof. Eberhard Bodenschatz einen Grundlagenvortrag zum Thema Quantenphysik und Quantentechnologien. Der Emeritus Direktor des Max-Planck-Instituts für die Physik des Lichts erklärte, wie die Rechenleistung von Quantencomputern zustande kommt und welches Potenzial sie haben, nicht zuletzt auch für die Pharmazie. Er streifte auch den Vorteil von Quanten-Sensorik und von Quanten-Kommunikation.

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Professor Gerd Leuchs (@Markus Scholz für die Leopoldina)

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Professor Gerd Leuchs (©Markus Scholz for Leopoldina)

Die Quantenwissenschaft beeinflusst zunehmend die Entwicklung neuer Technologien und perspektivisch somit auch unseren Alltag. Zum Beispiel wird die Rechenleistung von Quantencomputern völlig neue Möglichkeiten bieten. In seinem Vortrag erläuterte Leuchs, einer der führenden Wissenschaftler auf dem Gebiet der Quantentechnologie, auf eindrucksvolle Weise die zugrunde liegenden mathematisch-physikalischen Prinzipien sowie die Unterschiede zur Alltags-Mathematik: Während klassische Bits Zahlen darstellen, die alle auf der eindimensionalen Zahlengeraden liegen, spannen Quanten-Bits, die übliche Recheneinheit in der Quanten-Informationswissenschaft, durch Drehung und Überlagerung einen höher-dimensionalen Raum auf und erfordern eine äußerst komplexe mathematische Herangehensweise. „Für den Menschen ist beispielsweise ein 1000-dimensionaler Raum nicht leicht vorstellbar. Wissenschaftler müssen bereit sein, ihre herkömmlichen naturwissenschaftlichen Vorstellungen zu überwinden, um den Fortschritt vorantreiben zu können. Das gilt auch für die Quanten-Wissenschaft“, so Leuchs. Das besondere an Quantenzuständen ist, dass in einem Überlagerungszustand mehrere scheinbar widersprüchliche Zustände enthalten sein können, was Leuchs dem Publikum mithilfe alltäglicher optischer Phänomene zu veranschaulichen versuchte. Diese Zustände sind miteinander verschränkt und streng korreliert. Bei der Messung kommt es zu einer Projektion auf einen der überlagerten Zustände, die anderen gehen unwiderruflich verloren. Eine Eigenschaft, die die Quantentechnologie für abhörsichere Kommunikation ausnutzt.

Im weiteren Verlauf des Vortrags erklärte Gerd Leuchs den Vorteil von Quanten-Computern. Statt Eingabewerte seriell, d.h. einen Wert nach dem anderen zu verarbeiten, können Quantencomputer viele Eingabewerte parallel verarbeiten, was sie sehr leistungsfähig und extrem schnell macht, allerdings nur unter bestimmten Bedingungen. Leuchs: „Zukunftsanwendungen eines Quanten-Computers gibt es beispielsweise in der Pharmazie zur Berechnung komplexer Moleküle. Quanten-Sensorik wird auch im Bereich der Medizintechnik eine Rolle spielen.“

Über Prof. Gerd Leuchs

Geboren am 14.06.1950, Senior-Professor am Department Physik der Universität Erlangen-Nürnberg. Seit 2009 wissenschaftliches Mitglied der Max-Planck-Gesellschaft und bis 2019 Direktor am Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts. Mitglied der Akademie der Wissenschaften Leopoldina, der Deutschen Physikalischen Gesellschaft, der European Physical Society, der Deutschen Gesellschaft für angewandte Optik, der wissenschaftlichen Gesellschaft Optica (früher Optical Society of America), deren Präsident er 2024 ist, des Institute of Physics (London), der Russischen Akademie der Wissenschaften, der Chinesischen Optischen Gesellschaft und der American Association for the Advancement of Science. Mehr als 500 Publikationen in wissenschaftlichen Journalen und Herausgeber von drei Büchern. 2005 erhielt er den Quantum Electronics and Optics Prize der European Physical Society.

In einem aktuellen Leuchtturmprojekt „QuKomIn“ zur Erprobung einer abhörsicheren Quantenkommunikationsinfrastruktur soll eine reale Testinfrastruktur für die Quantenkommunikation in Form eines hybriden Glasfasernetzes mit Satellitenanbindung und Applikationslaboren in den Räumen aufgebaut werden. Das Forschungsvorhaben unter Leitung des Max-Planck-Instituts für die Physik des Lichts in Erlangen wird in enger Abstimmung mit den Nachbarinitiativen in Sachsen und Thüringen und dem BMBF-Projekt »QuNET« durchgeführt. Der Unterschied zu gebräuchlichen Verfahren in der Datenverschlüsselung ist, dass die Sicherheit hier auf einem physikalischen Naturgesetz beruht und nicht auf mathematischen Annahmen. Durch die Quantenschlüsselverteilung können Informationen auf Basis einzelner Quantenzuständen von Photonen sicher übertragen werden.

Über die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina

Als Nationale Akademie der Wissenschaften leistet die Leopoldina unabhängige wissenschaftsbasierte Politikberatung zu gesellschaftlich relevanten Fragen. Dazu erarbeitet die Akademie interdisziplinäre Stellungnahmen auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse. In diesen Veröffentlichungen werden Handlungsoptionen aufgezeigt, zu entscheiden ist Aufgabe der demokratisch legitimierten Politik. Die Expertinnen und Experten, die Stellungnahmen verfassen, arbeiten ehrenamtlich und ergebnisoffen. Die Leopoldina vertritt die deutsche Wissenschaft in internationalen Gremien, unter anderem bei der wissenschaftsbasierten Beratung der jährlichen G7- und G-20-Gipfel. Sie hat rund 1.700 Mitglieder aus mehr als 30 Ländern und vereinigt Expertise aus nahezu allen Forschungsbereichen. Sie wurde 1652 gegründet und erlangte 2008 den Rang der Nationalen Akademie der Wissenschaften Deutschlands ernannt. Die Leopoldina ist als unabhängige Wissenschaftsakademie dem Gemeinwohl verpflichtet.

 

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