Wo Quantenpartikel geboren werden: KI bringt neue Erkenntnisse jenseits der Verschränkung ans Licht
Die Quantenphysik, die Wissenschaft vom ganz Kleinen, arbeitet mit Gesetzen, die unserer alltäglichen Intuition oft fremd erscheinen. Forschungsgruppenleiter Mario Krenn und Xuemei Gu vom Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts haben eine spannende Entdeckung gemacht, die unser Verständnis dieser rätselhaften Quantengesetze vertieft.
Bisher glaubten die Wissenschaftler, dass die einzige Möglichkeit, nichtlokale Quanteninterferenz zu erzeugen - eine ungewöhnliche Eigenschaft, bei der Teilchen unabhängig von ihrem Abstand miteinander verbunden zu sein scheinen - in einem Prozess namens Verschränkung besteht. Mit Hilfe der künstlichen Intelligenz und des mathematischen Werkzeugs der Graphentheorie haben die beiden Forscher jedoch herausgefunden, dass dies nicht der einzige Weg ist, und damit einen spannenden neuen Weg im Bereich der Quantenphysik eröffnet.
Diese überraschende Entdeckung wurde zunächst durch einen theoretischen Rahmen antizipiert, der in den letzten fünf Jahren unter der Leitung von Mario Krenn, jetzt Forschungsgruppenleiter am MPL, Xuemei Gu, derzeit Post-Doc in Krenns Gruppe, und Anton Zeilinger (Nobelpreisträger für Physik 2022) entwickelt wurde. Das Team entdeckte, dass der Ort, an dem Lichtteilchen erzeugt werden, in einer Überlagerung von zwei Orten zur gleichen Zeit sein kann. Das ist so, als ob die Teilchen an zwei verschiedenen Orten gleichzeitig erzeugt werden. Auf diese Weise kann man einige der besonderen Eigenschaften der Quantenphysik beobachten, ohne dass es zu einer Quantenverschränkung der Teilcheneigenschaften kommt.
In zwei getrennten Experimenten, die in Nature Communications und Optica veröffentlicht wurden, hat Mario Krenn zusammen mit einem Forscherteam der Universität Nanjing und einem Team der Universität Hefei diesen ungewöhnlichen Effekt zum ersten Mal beobachtet. In ihrer gemeinsamen Arbeit haben sie die nichtlokale Mehrphotonen-Quanteninterferenz von vier Teilchen nachgewiesen, die keine Verschränkung der Photonen erfordert. Dieses ungewöhnliche Konzept bietet eine neue Möglichkeit, das Konzept der Korrelationen über große Entfernungen in der Quantenphysik zu untersuchen, und könnte potenzielle Anwendungen in quantengestützten Technologien, wie z. B. Hochpräzisionsmessungen, haben.
Interessanterweise hätte dieser Interferenzeffekt schon 25 Jahre früher entdeckt werden können. Die erforderliche Technologie ist seit mindestens 1997 verfügbar. Allerdings wurde sie von menschlichen Forschern übersehen und erst durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz aufgedeckt. Krenns Forschungs-gruppe am MPL, das "Artificial Scientist Lab", konzentriert sich darauf, künstliche Intelligenz zu nutzen, um spannende Entdeckungen in der Physik zu machen. Jetzt, nach nur wenigen Jahren, haben sie diesen nichtlokalen Quanteninterferenzeffekt in ihren Experimenten erfolgreich beobachtet. Krenn sagt: "Die Zusammenarbeit zwischen unserem menschlichen Verstand und der künstlichen Intelligenz hat es uns ermöglicht, Bereiche der Quantenphysik zu erforschen, die uns sonst vielleicht verborgen geblieben wären. Dass wir diesen vorhergesagten Effekt nun endlich im Labor beobachten konnten, gibt uns ein echtes Gefühl der Zufriedenheit."
Deutlich anders als Verschränkung
Im Gegensatz zur Verschränkung, bei der es eine Art "Verbindung" zwischen den Eigenschaften der Teilchen gibt, geht es bei diesem neuen Effekt darum, woher die Teilchen kommen. Die Forscher haben herausgefunden, dass Teilchen in einer Superposition erzeugt - oder "geboren" - werden können, so als ob sie an zwei Orten gleichzeitig entstehen würden. Stellen Sie sich die Teilchen wie Gäste vor, die zu einer Party kommen - in diesem Fall ist es so, als ob sie von zwei Orten gleichzeitig kommen könnten! In ihren Experimenten ist es den Forschern gelungen, eine besondere Art von Interferenz mit vier Teilchen zu erzeugen, wobei sie die Interferenz sogar mit einem Teilchen kontrollierten, das sie nie messen mussten. Das ist etwas, was mit den üblichen "verbundenen" Teilchen in der Verschränkung einfach nicht möglich wäre.
Dies ist ein Phänomen, das über die übliche Verschränkung von Teilchen hinausgeht und das noch weiter erforscht wird. "Es wird spannend sein zu sehen, wie dieses Phänomen genutzt werden kann, um Quantentechnologien zu verbessern und grundlegende Fragen der Quantenphysik zu klären", sagt Xuemei Gu.
Bild 1 (© Xiaosong Ma, Nanjing University): In diesem Messaufbau an der Universität Nanjing (Gruppe von Xiaosong Ma) werden Lichtteilchen erzeugt, die an zwei unterschiedlichen Orten entstehen.
Image 2 (© Mario Krenn): MPL Forschungsgruppenleiter Mario Krenn