Forschung
Unser multidisziplinärer Forschungsansatz kombiniert Konzepte aus der Physik, der Populationsgenetik und der Krebsbiologie mit innovativen genetischen Werkzeugen und hochentwickelten zellulären Modellsystemen zur Untersuchung der Evolution in dichten Zellpopulationen. Mit Hilfe von sich ergänzenden mikrobiellen und Krebszelltexperimenten untersuchen wir, (i) wie sich die kollektive multizelluläre Dynamik auf die genetische Vielfalt und die Entwicklung von Arzneimittelresistenzen auswirkt, (ii) wie sich kollektive Zellbewegungen in 3D auf die Evolution und das Ansprechen auf eine Behandlung auswirken und (iii) wie die mechanischen Eigenschaften von Zellen und ihre Interaktion mit der biophysikalischen Mikroumgebung die Evolutionstrajektorien in Tumoren verändern.
Unser Ziel ist es, zelluläre Evolution als ein emergentes Phänomen in aktiver granularer Materie zu verstehen um eine Grundlage für innovative evolutionsbasierte Behandlungsstrategien und eine verbesserte Krebstherapie zu schaffen.
Komplexe Resistenzevolution in aktiver granularer Materie
Dichte, wachsende Zellpopulationen können als eine Form von aktiver granularer Materie beschrieben werden. Ein Kennzeichen dieser Systeme ist, dass die relative Bewegung einzelner Zellen über große Längenskalen korrelieren. Wie solche Korrelationen die grundlegenden Mechanismen der Evolution, wie genetischen Drift und natürliche Auslese, beeinflussen, ist bisher nicht abschließend geklärt. Wir verwenden ein genetisch maßgeschneidertes Hefe-Modellsystem mit kontrollierbaren ”synthetischen Mutationen", um zu untersuchen, wie dichteinduzierte multizelluläre Dynamik die genetische Populationsvielfalt beeinflusst, die evolutionäre Rettung therapieresistenter Klone verstärkt und es Populationen ermöglicht, sich über erhebliche Fitnessbarrieren hinweg anzupassen.
Kollektive Zelldynamik, Evolution und Therapiereaktion in 3D-Populationen
Viele dichte Zellpopulationen, einschließlich solider Tumore, wachsen dreidimensional. Dies steht in krassem Gegensatz zu den meisten etablierten experimentellen Evolutionstests für die Ausbreitung von Populationen, die in der Regel auf zweidimensionalen, oberflächengebundenen mikrobiellen Kolonien basieren. Während Theorie und Computermodelle der Evolution einen deutlichen Unterschied zwischen 2D- und 3D-Ausdehnungen nahelegen, fehlt uns derzeit noch der wichtige Zugang durch empirischen Untersuchungen. Unser Team hat vor kurzem mikrobielle Sphäroide als neues Instrument für die experimentelle Evolution eingeführt. Indem wir die Vielseitigkeit dieser Technik in Verbindung mit unserem Werkzeugkasten für synthetische Mutationen nutzen, untersuchen wir, wie die kollektive Zelldynamik die genotypische Heterogenität und die daraus resultierende Behandlungsresistenz von dreidimensional expandierenden Populationen verändert. Darüber hinaus dient diese Plattform der Entwicklung und Erprobung neuer evolutionsbasierter Therapiestrategien, um die Folgen con Therapieresistenzen abzumildern.
Mechano-Evolution und adaptive Therapie in Krebstumoroiden
Veränderungen der mechanischen Zelleigenschaften und eine veränderte Reaktion auf physikalische Belastungen sind ein Markenzeichen von Krebszellen, wobei viele Tumore in beiden Merkmalen sehr heterogen sind. Dennoch ist nur wenig darüber bekannt, wie sich diese mechanischen Aspekte der Tumorexpansion auf wichtige evolutionäre Prozesse wie natürliche Auslese und genetischen Drift sowie auf kritische biomedizinische Konsequenzen auswirken, einschließlich der Konkurrenzfähigkeit metastatischer Vorläuferzellen innerhalb des Primärtumors. Wir haben ein auf experimentelle Evolution zugeschnittenes Säugetier-Zell-Tumoroid-Modellsystem entwickelt um die grundlegende Dynamik der mechanischen Evolution in einer biophysikalischen Mikroumgebung zu untersuchen. Ein besonderer Schwerpunkt dieses Projekts ist die Auswirkung mechanischer Populationsheterogenität und die Fitnesseffekte einer veränderten Mechanosensitivität auf die Krebsevolution. Die gewonnenen Erkenntnisse dienen als Ausgangspunkt für einen Reinforcement-Learning-Ansatz zur Verbesserung der adaptiven Krebstherapie.
Kontakt
Abteilung Guck
Junior-Forschungsgruppe Kayser
MPI für die Physik des Lichts
Staudtstr. 2
91058 Erlangen